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Reisebericht 3
Subject: Gruesse vom (neben der Antarktis) niederschlagsaermsten
Kontinent ...

From: Matthias Buck [mailto:Matthias.Buck@gmx.de]

Sent: Samstag, 19. Mai 2001 14:20

Hallo zusammen!!!

Tja, wie die Zeit vergeht - viel zu schnell. Hier nun also meine naechsten Erlebnisse und Eindruecke, die ich seit dem letzten Bericht gemacht habe. Ist zwar schon ne Weile her (hast ja so recht, Britta...), aber ich versuche trotzdem, alles so genau wie moeglich aufzuschreiben.

Danke nochmal fuer Euer positives Feedback - jemand (keine Namen) hat sogar allen Ernstes vorgeschlagen, das zu verlegen. Da fuehle ich mich natuerlich geschmeichelt. Allerdings habe ich die ersten beiden mails nur so dahingeschrieben. Wenn ich wieder in Dt. bin (falls ich denn zurueckkommen sollte ;-)),

werde ich jedenfalls alles noch einmal gruendlich ueberarbeiten, verfeinern und einige schoene Bilder einfuegen.

Und noch eins (besonders fuer die, die danach fragten): meine Organisation heisst "Visitoz Scheme", www.visitoz.org. Es gibt aber noch andere Organisationen, die einem z.B. beim Working holiday visa helfen (hat meine nicht gemacht) und andere jobs (keine Farmarbeit) anbieten, z.B. "Council International for Exchanges".

Wo war ich stehengeblieben? Ach ja - nach meinem ersten Tag auf der Springbrookfarm...


08.05.2001

Der Fruehstueckstisch war mit leckeren Sachen gedeckt - Sandwiches, frische Salate, Tee usw., Joanna hat wirklich das Talent, einem schon beim Anblick des gedeckten Tisches das Wasser im Mund zusammenlaufen zu lassen. Die Stimmung beim Fruehstueck war familiaer, der Sohn von Dan und Joanna ass mit uns - und natuerlich Betty, meine Reitlehrerin.

Dan, Betty und ich sind dann zusammen in die naechste Stadt gefahren - nach Murgan zum Einkaufen. Irgendwie hat diese Stadt etwas von einer alten Westernstadt, die Gebaeude meist aus Holz, die Beschriftung der einzelnen Laeden, die Fensterfronten usw.
Hier gibt es keinen grossen Supermarkt, sondern viele kleine Laeden, in denen Dan meist persoenlich begruesst wurde und hier und da mal einen Schnack halten konnte.
Eine Uebernachtung im Hotel dieser Stadt kostet uebrigens nur 17 A$ (ca. 20 DM).

So klein Murgan auch ist - es verfuegt ueber eine interessante Touristeninformation - hier kann man sich in aller Ruhe von der netten aelteren Dame alles ueber die Stadt mit seiner Geschichte erzaehlen lassen.

Nachdem ich noch schnell meine fertigen Fotos abgeholt habe - one hour service ist hier fast ueberall selbstverstaendlich - sind wir dann wieder zurueckgefahren und haben kurze Zeit spaeter die anderen Teilnehmer des Kurses mit einem koestlichen Lunch empfangen. Es sind ungefaehr 12 andere Leute gewesen, die Mehrzahl waren Hollaender, ein Paerchen aus Suedafrika und wenige Deutsche. (Wobei dieser Kurs sonst auch sehr stark von Japanern und Englaendern frequentiert wird) Nach den ersten kurzen, aber intensiven Gespraechen (woher man ist, was man macht, warum man hier ist, wo man schon war, was man so denkt und erwartet) waehrend des Mittagessens, welches wir dieses Mal nicht an einer grossen Tafel, sondern grueppchenweise auf der sonnigen Holzterrasse einnahmen, wurden wir auch schon wieder getrennt und in Gruppen aufgeteilt.

Vier andere Farms sind an Springbrook angeschlossen, hier wird man teilweise noch etwas spezieller ausgebildet. Der Sinn der Gruppenbildung besteht aber darin, dass man mit weniger Leuten pro Ausbilder mehr lernt.

Meine Gruppe bestand aus einem Hollaender (Djon), einem Stuttgarter (Chris) und mir - einem Ludwigsluster.
Die nette Bekanntschaft von Chris hatte ich vorher schon gemacht, da waren wir wohl beide froh, in diesselbe Gruppe gekommen zu sein.

Den Nachmittag verbrachten wir damit, Motorrad zu fahren. Dan wies uns kurz in die Technik, das Handling und den Umgang mit Gelaendemaschinen ein - und ab ging es. Nach einiger Zeit des Vertrautmachens gab er uns bestimmteAufgaben, die wir dann mit dem Motorrad erledigen sollten.

Ich sollte in einem bestimmten Gebiet der Farm die Wasserstellen zaehlen - hoert sich leicht an - ist es aber aufgrund der schwierigen Untergruende und Bedingungen absolut nicht.
Waehrend ich so durch die Waelder, Wiesen und ueber teils sandige und teils steinige Boeden dahinknatterte, durchdrang mich wieder dieses enorm packendeund beglueckende Gefuehl von Freiheit, dass ich noch sehr gut vom Reiten am Vortag in Erinnerung hatte.


In Australien ist es sehr verbreitet, als "Backpacker" durchs Land zu reisen, man hat sich darauf eingestellt und es schon sehr kommerzialisiert. So gibt es sehr viele Backpackerhotels, -trips, und -touren, und auch die Autobranche scheint hier zu boomen - man sieht viele (meist alte) grosse Kombis, Vans oder Pick-Ups.

Der Ford Falcon ist hier ein sehr typisches Backpackerauto, ein grosser Kombi - und Chris nannte ebensolchen sein eigen. Wir sind dann zu dritt in seinem Wagen auf die "Silverwoodfarm" gefahren. Da es nur 2 Vordersitze gab, durfte es sich jemand hinten auf dem grossen Bett bequem machen - naemlich ich.

Silverwood liegt nur etwa 5 km von Springbrook entfernt, so sind wir nach kurzer Zeit auf teilweise schlecht befahrbaren Wegen gut mit unserem Sechszylinder angekommen.

Cliff und Sue Richardson begruessten uns und zeigten uns unsere Zimmer - in denen wir uns in den kommenden Tagen heimisch fuehlen sollten. Chris und ich bezogen das eine, Djon das andere Zimmer. Es waren Kellerzimmer, aber alles schien sehr neu und sauber - wir hatten sogar einen Poolbillardtisch.

Cliff und Sue haben mich beeindruckt - sie sind sehr weltoffene Menschen, Mitte vierzig und haben ihre Herzen am rechten Fleck. Vor einigen Jahren hat Cliff sich seine eigene Segelyacht gebaut, das noetige Wissen hat er sich angelesen und ausserdem hat er einige Orte besucht, in denen solche Yachten gebaut werden.Er ist dann zusammen mit seiner Frau 2 Jahre lang durch die Welt gesegelt, u.a. Griechenland. Wenn das Geld knapp wurde, ist er kurz nach Australien zurueckgeflogen, hat etwas gearbeitet, und weiter ging es. Danach hat er sein Schiff verkauft und sich davon ein Flugzeug gekauft. Er arbeitete dann fuer die Landwirtschaft und hat mit seinem Flugzeug Chemikalien ueber die Felder verstreut. Aber irgedwann kamen dann 2 Soehne und eine Tochter auf die Welt - ihr Zuhause wurde Silverwood.

Wir spielten nach einem wohlschmeckenden und zwanglosen Abendbrot nocheinige Partien Billard und gingen dann rechtzeitig schlafen - schliesslich sollten
wir am naechsten Morgen um 7 auf der Matte stehen.


09.05.2001 - 11.05.2001

Cliff war ein aussergewoehnlich guter Lehrer. Er war sehr geduldig, gerecht, hatte ein ungeheuer grosses Wissen und gab ab und zu auch mal eine lustige Anekdote zum Besten. Besonders die tausend kleinen Dinge, Tips, Knigges usw. waren sehr interessant.

Was mich aber am meisten beeindruckt hat, ist seine ruhige Art zu arbeiten, zu reden - ja, einfach zu leben. Dass solch eine Farm auch ohne grossen Stress gut funktioniert sollten sich viele andere Menschen mal vor Augen halten.


Als erstes fuetterten wir jeden Morgen die Pferde - jedes der vier Pferde bekam ein "Bisquit" (1/10 eines Ballen) Heu, ausserdem haben wir ihre Troege mit dem Wasserschlauch aufgefuellt.

Die Marke "John Deere" ist wohl auch denen, die nichts mit Landwirtschaft zu tun haben (zu denen ich bis vor kurzer Zeit auch gehoerte), ein Begriff. Das ist so der Audi A8 4,2 quattro unter den Oberklasselimousinen. Und einen Traktor dieser Firma besass Cliff - er wurde uebrigens in Mannheim gebaut. Nach kurzer Erklaerung der Technik, des Bedienens und Ueberpruefung der verschiedenen Fuellstaende, z.B. Oel, Kuehlwasser usw. durfte jeder mal die ersten Runden mit dem Traktor drehen.
Ausserdem hatte er noch 2 Gelaendewagen der Marke "Landrover": einen uralten sechszylindrigen Benziner, den er auch nur auf seiner Farm benutzt, und einen etwas neueren Achtzylinder, ebenfalls mit einem Ottomotor, mit dem
dann
meistens Sue in die Stadt faehrt, z.B. um die Kinder zur Schule zu bringen.

Das Grundstueck rings um das Haus herum gleicht stellenweise einem alten Autofriedhof - ueberall irgendwelche Autowracks - ein Genuss fuer meine Augen.

Ein Ford Falcon (Chris fuhr den gleichen Wagen) juengeren Alters stand auchnoch unter einem der vielen Unterstaende.


In den naechsten Tagen, genauer gesagt bis Samstag Mittag, lernten wir, wie man mit einer Kettensaege arbeitet - leichter, als ich dachte, wie fuhren viel Traktor, z.B. mit einem angeschlossenen Heuwender, reparierten Zaeuneund taten halt so Dinge, die auf einer Farm anfallen. Ein Leckerbissen, auf das ich mich immer den ganzen Tag freute, war, dass wir jeden Abend geritten sind. Anfangs immer nur im "Gang", dann im "Trab" und spaeter fast schon im Galopp. Dabei war immer die ca. 13 Jahre alte, eher ruhige Tochter Jennifer.

"Spotlighting" stand am letzten Abend auf dem Programm, der Sohn fuhr mit Djon, Chris und mir mit dem Jeep los und zeigte uns die Umgebung bei Nacht. Sein Scheinwerfer war an den Zigarettenanzuender angeschlossen und bekam somit seine Energie aus der Autobatterie. Es war beeindruckend, obwohl wir leider nur ein Possem (kleines Beuteltier) auf einem Baum und natuerlich die Rinder zu Gesicht bekamen. Die Nachricht, dass sie in der Vorwoche zwei Koalas gesehen haben hat uns nicht gerade erfreut.

Gut fand ich, dass wir meistens ins tiefe Wasser geworfen wurden, und dann halt schwimmen lernen mussten. "Lerning by doing" (so wusste ich schon von meinem Studium) ist eine aeusserst effektive Lernmethode, bei der viel haengen bleibt.

Genauso funktioniert fuer mich auch das Lernen dieser Sprache. Stellenweise war es schon etwas nervig und auch frustrierend, wenn ich meinen Gespraechspartner mit diesem australischen Englisch - wirklich anders alsdas britische und auch als das amerikanische - kaum verstanden habe, aber so langsam wird es besser.

Schon am Donnerstag rief ein Arbeitgeber fuer mich an, sein Name: Jeff Bell. Ich rief ihn zurueck und fragte ihn aus. Sein schnelles australisches Englisch war fast gar nicht zu verstehen, ich hoerte nur, dass ich hauptsaechlich Motorradfahren sollte und er mir 300 A$ pro Woche zahlt. Nach einem motivierenden Gespraech mit Joanna - ich rief sie schnell an und fragte, ob das okay sei - willigte ich ein. Mein erster "Employer" sollte also Jeff Bell sein, ein Mann, den ich fast gar nicht verstehen konnte, auf einer Farm in der Naehe von Quilpi (ca. 800 km westlich von Brisbane) irgendwo im Niemannsland.

Auch der gutmuetige, etwas einfaelltige, aber technisch gut begabte Djon erhielt ein Jobangebot und nahm es an. Chris wollte erst ab Mitte Juni arbeiten, da er vorher noch Besuch von seiner Freundin aus Deutschland mit ihrem sechsjaehrigen Kind erwartete. Da er sich fuer diese Zeit einen Van kaufen moechte, hat er mir seinen Wagen angeboten. Wenn wir das mit dem Kauf geregelt bekommen (die grossen raeumlichen Distanzen zwischen uns erschweren die Sache), werde ich ihn wohl nehmen.


Chris, Djon und ich hatten eine grossartige Zeit zusammen auf der Silverwoodfarm. Aber wenn man mich fragt, was ich am Besten fand, dann sag ich nicht - das sonnige Wetter, die unbeschreiblich schoene Landschaft, die abwechslungsreiche und interessante Arbeit, das leckere Essen - nein, das Beste an dieser Zeit war, dass ich mich als Teil der Familie fuehlen durfte.

12.05.2001

Am Samstagvormittag haben wir uns dann in das Gaestebuch der Familie eingetragen und nachdem Telefonnummern, Emailadressen usw. ausgetauscht waren, sind wir wieder zur Springbrookfarm gefahren.

Langsam aber sicher trudelten auch die anderen Leute die auf auswaertigen Farms lebten ein. Man tauschte sich schnell ueber das Erlebte aus und ich muss sagen, dass die anderen aehnliche Erfahrungen gemacht haben und die Zeit auch wunderschoen fanden. Der Suedafrikaner ist leider gleich am ersten Tag vom Pferd gefallen und konnte sich dann die ersten zwei Tage nur mit Kruecken und unter starken Schmerzen bewegen.

Fuer jeden der Teilnehmer lag ein Briefumschlag bereit, hierin waren die genauen Wegbeschreibungen, Bustickets, die Unterlagen fuer das Bankkonto und jede Menge Werbematerial enthalten.

Nach dem Lunch haben wir die Autos mit unseren Rucksaecken beladen, ich habe mich noch von Chris verabschiedet - er fuhr ja mit seinem eigenem Auto - und sind wieder nach Goomeri gefahren, dorthin, wo mich Dan vor einer Ewigkeit, naemlich am vergangenen Montag , abgeholt hatte. Niemand sprach auf der Fahrt ein Wort, es herrschte nachdenkliches und besinnliches Schweigen. Es ist so viel passiert in diesen sechs Tagen, es waren diese tausend kleinen Dinge, die mich mein Leben in dieser Zeit anders wahrnehmen haben lassen.



"Your holiday is over!" - das war die Ueberschrift meiner "Briefing Notes", in denen meine genauen Reisedaten, meine neue Adresse und eine Arbeitsbeschreibung enthalten war. Meine Reise zu meiner Farm sollte 2 Tage dauern.

Bevor ich den Bus in Goomeri bestieg, habe ich noch schnell Sonja aus Brisbane (wo ich vergangenen Sonntag schlief) von der oertlichen Tankstelle aus angerufen und gefragt, ob ich wieder bei ihr schlafen koenne. Ansonsten haette ich mir eine andere Bleibe suchen muessen, was aber nicht so schlimm gewesen waere - die Mehrzahl der anderen Kursteilnehmer musste auch in Brisbane uebernachten und einige kannten gute und guenstige Abstiegen, natuerlich speziell fuer Backpackers... Sonja willigte ueberraschenderweise sehr erfreut ein. Und was mich noch mehr wunderte war, dass ich mich auch sehr auf sie freute - das haette ich bei unserem ersten Abschied nie gedacht.

Puenktlich um 1.30 pm fuhr der Bus los, die Strecke kannte ich ja nun schon, aber ich setzte mich trotzdem in die erste Reihe. Gedankenverloren verging die Fahrt schnell, es lief ausserdem der Film "Grease" mit John Travolta, um 6 pm kamen wir im Transit Center Brisbane an.

Sonja und ich haben uns dieses Mal irgendwie besser verstanden. Wir haben uns auf dem Weg zu ihrem Zuhause dazu entschieden, uns eine Pizza zu bestellen. Den Abend verbrachte ich in aller Ruhe damit, emails zu beantworten und mit Sonja zu reden.


13.05.2001

Der 8.00 am Mc Caffertys Bus brachte mich am Sonntag nach Charleville, wo ich um 7.00 pm ankam. Wer die amerikanischen Greyhoundbusse kennt, weiss, dass man seine Fahrt schon vorher buchen sollte und das Einchecken fast wie auf einem Flughafen funktioniert. Zum ersten Mal war der Bus relativ voll, jeder hat einen Sitzplatzzugeordnet bekommen. Leider sass neben mir auch jemand, ein etwa 20jaehriger Australier. Ich hoffte fuer meine Beine, dass er schon frueher als bei der Endstation aussteigen wuerde. Er machte sich scheinbar aehnliche Gedanken und fragte, wie weit ich fahren werde. Als wir feststellten, dass wir beide bis nach Charleville fahren wollten, machten wir beide einen selbstbemitleidenden Seufzer und mussten daraufhin schmunzeln. Gluecklicherweise wurden aber einige andere Plaetze im Bus frei, und er setzte sich bald um.

Nach 11 langen Stunden kamen wir in einer kleinen Stadt an, die nun wirklich wie eine Stadt aus einem alten Westernfim aussah - Charleville. Ich sollte hier uebernachten, sah einige Werbeschilder von kleinen Hotels mit ueberteuerten Zimmerpreisen (39 A$ pro Nacht) und fragte den Typen, der neben mir gesessen hat, wo er denn naechtigen will. "Das billigste Hotel natuerlich" antwortete er, und so gingen wir zusammen voll bepackt einige hundert Meter die Strasse herunter und checkten im "Charlevillehotel" ein.

Dieses Hotel passt 100%ig in das Stadtbild dieser Westernstadt, vor allen Dingen der Standard, z.B. schienen die Sanitaeranlagen auch aus dieser Zeit zu stammen. Aber bei unschlagbaren 19 A$ pro Nacht war es mir sehr willkommen, und irgendwie hatte es auch seinen Flair. So konnte ich von meinem Zimmer, welches spartanischer als jede Bundeswehrstube war, auf einen herrlichen riesengrossen Balkon gehen und einen Blick auf die verschlafene Stadt werfen.


14.05.2001 - 19.05.2001

In der Naehe der Post, bei der Verladerampe, sollte der Treffpunkt sein, wo mich ein Kurier namens Kelly Bannermann treffen und nach Quilpie bringen sollte, von wo aus ich dann von irgendjemandem abgeholt werden sollte. Ich entrichtete die 20 Bucks, wie es in meinen "Briefing Notes" stand, und fuhr dann in seinem Pickup ueber 200 km mit ihm mit.

Schnell gewoehnte ich mich an die Kraehen, die jedesmal von einem ueberfahrenen Kaengeruh aufflogen, wenn wir uns naeherten - ich hoerte irgendwann bei 30 auf zu zaehlen.

Die Landschaft veraenderte sich ganz langsam, je weiter ich ins Landesinnere fuhr, die Vegetation wurde weniger. Es gab Baeume und Straeucher, aber anstelle von Wiesen trat nun roetlicher Boden mit vereinzelten trockenen Grasbuescheln hervor. Insgesamt wurde alles viel staubiger, was sich spaeter noch mehr als bewahrheiten sollte.

Jedesmal, wenn ich aus einem klimatisierten Auto oder Gebaeude ins Freie trete, erweckt diese scheinbar ewigscheinende Sonne ein warmes Gefuehl - nicht nur auf meiner Haut, auch in meinem Herzen.

Von hinten wurde ich von einer Frauenstimme angesprochen, ob ich Matt sei, nachdem ich mich von Kelly verabschiedet hatte. Ich drehte mich um, bejahte und bemusterte diese Frau - genauso unauffaellig, wie sie mich bemusterte.

Vor mir stand Robyn Bell, die Frau von Jeff und Mutter der vier Toechter (8 bis 14 Jahre). Wir begruessten uns, ich lud mein Zeug in ihren roetlich angestaubten Nissan Patrol und dann gingen wir noch schnell ein Sandwich in einem kleinen Café essen, holten ihre schon fertig eingepackten Einkaeufe aus einem kleinen Laden ab und fuhren los.

Auf meine Fragen, mit denen ich sie waehrend der 140 km langen Fahrt ins Niemannsland loecherte, gab sie mir bereitwillig Auskunft Sie haben mit 34.000 Hektar fuer australische Verhaeltnisse eine eher kleine Farm. Andere Farms erreichen nicht selten eine Groesse von ueber 1 Million Hektar. Wenn man dort die Kuehe oder Schafe irgendwohintreiben moechte, dann macht man das haeufig mit den Hubschrauber. Wenn man irgendwo auf einer solch riesigen Farm hinmoechte, kann man nicht einfach drauflos reiten, sondern man bringt die Pferde in einen Pferdeanhaenger, faehrt dorthin, und reitet dann los - ansonsten wuerde man am selben Tag fast nie ankommen.

Sie haben 6.500 Schafe, 190 Rinder, 2 Pferde, 11 Voegel (in einem kleinen Gehege), etliche Huener und zu meiner Freude 5 Hunde.

Wenn man den Briefkasten ausleeren moechte, dann muss man erst 11 km dorthin fahren - er steht an einer oeffentlichen Strasse, die durch das Land der Farm fuehrt. Das Wasser kommt aus dem eigenen Brunnen.

Viele von diesen Dingen und noch mehr habe ich natuerlich erst im Laufe der Zeit hier erfahren.

Hier angekommen habe ich mich mit Jeff bekanntgemacht und dann mein Quartier bezogen.
Ich wohne in einem kleinen hoelzernen extra Haus, in dem ausser mir nur noch ein Jaeger wohnt, der nachts Kaengeruhs schiesst. Er bekommt Geld dafuer, da sie hier schon zu einem kleinen Problem geworden sind. Uebrigens - ich freue mich immer, wenn ich welche durch die Gegend hoppeln sehe.
Mein Zimmer verbreitet ein rustikales aber gemuetliches Flair, es hat ein grosses, altes und schoenes Ehebett, 2 grosse Kleiderschraenke, ein Spinnrad und eine alte Anrichte. Ich kann von dort aus auf die Veranda gehen, die fast das ganze Haus umgibt.

In meinen Arbeitssachen zeigte Jeff mir mit dem Toyota Landcruiser einen kleinen Teil seiner Farm, einige andere Haeuser, in denen zur Zeit die Schafscherer wohnen, und wir lernten einander fluechtig kennen.

Er ist ein so herzensguter Mann, sehr fleissig und auch geduldig mit mir. Dann machte er mich mit meinem hauptsaechlichen Arbeitsinstrument vertraut: einem Motorrad. Es ist eine Kawasaki Vollcross, 250 ccm, dicke Stollen an den Raedern - und "sie geht ab wie Schmidts Katze".

Im Laufe der wenigen Tage, die ich nun hier bin, bin ich mit meiner Gelaendemaschine schon so viel durch die Gegend gecrosst, dass ich sie nicht nur gut bedienen kann, sondern sie auch im schwierigsten Gelaende sicher beherrsche. Es macht einfach so einen grossen Spass, man fuehlt sich so frei, stark und strassenunabhaengig, ich habe fuer mich bechlossen, irgendwann einen Motorradfuehrerschein zu machen.

Einmal pro Jahr werden die Schafe hier um ca. 6 kg leichter gemacht - sie werden geschoren. Seit meinem ersten Tag (Montag) ist hier naemlich auch noch eine andere Truppe fleissig am werken - das Team der Schafscherer. Es gibt ein extra Gebaeude speziell dafuer. Ich kann mich nicht erinnern, bei Arbeitern schonmal solch einen Elan, solchen Einsatz und solche Schnelligkeit beobachtet zu haben, wie bei diesen Leuten. Ca. 6 Maenner und 3 Frauen schaffen hier, 5 Arbeiter scheren - die besten Schafscherer schaffen ueber 200 Schafe jeden Tag - die anderen machen die Zuarbeit, eine Frau ist die Koechin, einige verpacken die Wolle, nachdem sie von einem anderen zuvor gepresst wurde. Es ist ein beeindruckender Anblick gewesen, diesen Menschen einfach nur zuzuschauen.

Ich habe viel mit Ihnen zu tun, weil Jeff und ich dafuer sorgen, dass sie genug Schafe zum scheren haben und die fertig geschorenen dann wieder in einen anderen Abschnitt bringen.

All die Menschen hier geben mir das Gefuehl, dass ich wer bin, dass ich was leiste. Sie sprechen mich immer mit Namen an, auch die Schafscherer, die ich fast gar nicht kenne, fragen, wie es mir geht, wie mein Tag war usw. Und es ist wirklich so, nach einem langen Arbeitstag bin ich total eingestaubt und auch etwas erschoepft, aber ich weiss, was ich getan habe, und das gibt mir wieder neue Energie und motiviert mich, am naechsten Tag noch lieber so frueh aufzustehen und bis es dunkel wird zu arbeiten.

Ich bekomme uebrigens 300 A$ die Woche, werde aber aeusserst gut und lecker bewirtet und habe so gut wie keine Moeglichkeit, das Geld auszugeben.

Fleisch ist hier so das Grundnahrungsmittel nummer eins. Jeff zieht sich fast immer schon morgens ein Steak rein. Zum Lunch und auch zum Dinner gibt es in der Regel eine warme Mahlzeit, welche natuerlich auch einen leckeren Braten oder ein saftiges Steak beinhaltet. Die Kornflakes morgens aus der Milch, die vor wenigen Stunden noch im Euter der hier lebenden Milchkuehe war, schmecken auch besser als aus Homo-milch - frischer geht es nicht.

An meinem ersten richtigen Arbeitstag hatte ich die Aufgabe, einige Schafe in ein bestimmtes Gehege zu treiben. Ich tat es wie schon fast gewohnt, doch ein Schaf wollte und vor allen Dingen konnte nicht mehr so richtig weitergehen, es wurde immer langsamer bis es auf einmal hinfiel und nicht mehr aufstand. Via CB-Funk (aeusserst nuetzlich bei der Zusammenarbeit und den grossen Distanzen) sagte ich Jeff von meinem Motorrad aus gleich Bescheid. Er meinte, dass es okay sei, das Schaf ist wohl krank, ich sollte es liegenlassen und die anderen weitertreiben.
Am naechsten Morgen lag es immer noch da, Jeff nahm sein Taschenmesser aus seiner ledernen Tasche am Guertel und ich wusste, was jetzt geschehen sollte. Mit einem gekonnten Schnitt und einer derartig grossen Selbstverstaendlichkeit - als wenn er sich einen Apfel durchschneidet - schnitt er dem Schaf die Kehle durch. Wir haben es dann auf seinen Pickup geladen und ich habe es weggebracht, d.h. zwei km weiter runtergeworfen.

Mit dem Tod wurde ich hier oft konfrontiert, ich hab mich schneller dran gewoehnt, als ich dachte. Ich habe gestern sogar extra meine Fotokamera geholt, um zu fotografieren, wie einer der Schafscherer ein Schaf toetet, ihm das Fell abzieht, den Kopf abschneidet und die Gedaerme herausnimmt.

Am gleichen Tag hat Jeff sich eines seiner Gewehre geholt - er ist ein kleiner Waffenfan, ein Gewehr liegt immer bereit in seinem Pickup - und wir sind losgefahren, um zwei kranke Schafe, die noch gehen konnten zu erschiessen. Ich habe dann mal selbst Hand angelegt und auf eine Dose zwei Schuesse abgefeuert - Jeff hat zustimmend genickt, als er sich danach die beiden Durchschuesse in der Dose angesehen hat. Ich sagte ihm, dass ich bei der Bundeswehr so gut schiessen gelernt habe. Das naechste Mal bin ich dann wohl dran, auf die Schafe zu schiessen - ich haette damit auch kein Problem, im Gegensatz zum Durchschneiden der Kehle.
An einem der kommenden Wochenenden werde ich den Kaengeruhjaeger mal eine Nacht begleiten, er schiesst pro nacht ca. 50 Tiere - ich freu mich schon jetzt darauf.

Heute ist Samstag, ich habe frei gehabt und die Zeit genutzt, um das alles hier aufzuschreiben. Sorry fuer die Rechtschreibfehler.

Seid alle ganz lieb gegruesst von mir!!!

Euer Matt


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